Mit der Eisenbahnlinie durch das Ermstal verbindet eine langjährige Beziehung. Hier hat er als Kind seine erste Bahnfahrt unternommen, was für den frühen Berufswunsch Lokführer gesorgt hatte. Später fand Özdemir durch sein Engagement gegen die die Streckenstillegung und als Mitorganisator von Sonderzügen den Weg in die Lokal-, Landes- und Bundespolitik. Und nun sorgt die alte Liebe zur Ermstalbahn sogar für ein bemerkenswertes Ereignis: Der ehemalige Bundesvorsitzende von Bündnis 90 / Die Grünen geht zum ersten Mal in seinem Leben unter die Aktienbesitzer.
Aber nicht irgendein erfolgreiches DAX-Unternehmen kann Cem Özdemir künftig zu seinen Shareholdern zählen, sondern vielmehr die Erms-Neckar-Bahn Aktiengesellschaft, kurz ENAG. Die Übergabe der Wertpapiere fand am 2. November standesgemäß im Bahnhof von Bad Urach statt, dem Geburtsort Cem Özdemirs. „Mit diesem Schritt will ich die erfolgreiche Arbeit der ENAG und insbesondere das Projekt der Regionalstadtbahn Neckar-Alb moralisch unterstützen“, sagt der Bundestagsabgeordnete.
Dass im Ermstal seit 1999 wieder regelmäßig Personenzüge fahren, ist unter anderem dem damaligen Engagement des Schülers Özdemir zu verdanken. Als Mitstreiter der Bürgerinitiative „Pro Ermstalbahn“ setzte er sich Anfang der 80er Jahre aktiv für den Erhalt der Bahnlinie ein. Aus diesem Verein entstand unter der Federführung des Uracher Reisebüro-Besitzers Roland Hartl später die EVG Aktiengesellschaft, die am 1. Januar 1992 ihre Tätigkeit aufgenommen hatte. An dieser Gesellschaft beteiligten sich auf Anhieb über 1.000 Aktionäre, womit auch ein wirtschaftlicher Grundstein für die erfolgreiche Reaktivierung des fast schon tot geglaubten Schienenstrangs gelegt war. Im Mai 1999 war es dann so weit, nach 23jähriger Pause rollte der erste planmäßige Personenzug auf der zehn Kilometer langen Bahnlinie. Aus der EVG wurde inzwischen die ENAG, welche inzwischen noch weitere Strecken auf der Schwäbischen Alb und in Nordbaden betreut, doch die damals ausgegebenen Aktien sind noch heute gültig.
Der ENAG-Vorstandsvorsitzende Carsten Strähle ist von dem Engagement des prominenten Neu-Aktionärs sehr angetan: „Wir freuen uns, dass Cem Özdemir auch nach vielen Jahren in der Landes- und Bundespolitik seine Begeisterung für die Ermstalbahn nicht verloren hat und wir sind für die Unterstützung bei der Umsetzung der Regionalstadtbahn sehr dankbar“. Mit diesem Projekt soll in der Region um Reutlingen und Tübingen eine neue Ära des öffentlichen Personennahverkehrs eingeläutet werden. Unter anderem ist bis 2020 auch die Elektrifizierung der Ermstalbahn vorgesehen, damit künftig alle 30 Minuten ein Zug die Kurstadt am Fuß der Schwäbischen Alb erreichen kann. Als Grüner dürfte Cem Özdemir dies sicher besonders begrüßen, meint Carsten Strähle, „denn dank der Elektrifizierung wird die Bahn im Ermstal keinerlei Feinstaub mehr produzieren“.
Wirtschaftlich ist die Gesellschaft solide aufgestellt. Für das Geschäftsjahr 2017 kann einmalig sogar eine Dividende von 1,00 € pro Aktie ausgeschüttet werden. Dividendenberechtigt sind sowohl Aktien mit dem Aufdruck „Erms-Neckar-Bahn Eisenbahninfrastrukturgesellschaft AG“ als auch die ältere Version mit der Bezeichnung „Aktien-Gesellschaft zur Förderung des Schienenverkehrs im Ermstal“.